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Pressemitteilung

ÖDP: Lammerts Abschiedsrede klammert direkte Demokratie aus

Volksabstimmungen sind ebenfalls Höhepunkt der Demokratie!

Foto: Thomas Reimer - fotolia.de

Der scheidende Präsident des Deutschen Bundestages, Dr. Norbert Lammert, hat zum Abschied eine ebenso honorige wie nachdenklich-kritische Rede gehalten. Er hat dabei die zentrale Rolle des Bundestages für die Stabilität der Nachkriegsdemokratie in der Bundesrepublik Deutschland („Herzkammerder Demokratie“) gewürdigt, aber auch sehr klar Defizite benannt: die mangelnde Kontrolle der Regierung; dass sich das Parlament bei der Regierungsbefragung die Themen von der Regierung vorgeben lässt; dass Abgeordnete die ihnen grundgesetzlich garantierte Freiheit in ihrem Abstimmungsverhalten so wenig nutzen. In diesen Punkten kann man Dr. Lammert nur beipflichten.

In einem allerdings widerspricht die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) dem scheidenden Bundestagspräsidenten entschieden, nämlich an der Stelle seiner Rede, in der er das Wahlrecht als „Königsrecht aller Demokraten“ bezeichnet. So grundlegend das Wahlrecht ist, auch Volksabstimmungen zu initiieren und sich daran zu beteiligen, ist laut Grundgesetz, ein Königsrecht in unserer Demokratie! Leider ist dieses Recht, das in Artikel 20,2 des Grundgesetzes selbstverständlich vorgesehen ist, bis heute nicht umgesetzt worden. In Art. 20 GG heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Am 06.05.1949 ist der Antrag Dr. von Brentanos (CDU), das Wort 'Abstimmungen' aus dem Entwurf des Art. 20 GG zu streichen, im Plenum des Parlamentarischen Rats abgelehnt worden (Parlamentarischer Rat, Stenographische Berichte über die Plenarsitzungen, S. 181). Volksabstimmungen können seit Schaffung des Grundgesetzes ohne vorherige Grundgesetzänderung durch ein einfaches Gesetz auf Bundesebene eingeführt werden - nicht nur für die Fälle Länderneugliederung (Art. 29 GG) und neue Verfassung (Art. 146 GG), in denen das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Ja, wir dürfen wählen, und ja, wir haben Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung. All dies ist durch entsprechende Gesetze geregelt. Was aber bis heute fehlt, das sind Abstimmungen auf Bundesebenen, durch die das Volk die Staatsgewalt ausüben kann, wie es das Grundgesetz vorsieht.

Fast 70 Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes steht die Umsetzung dieses grundlegenden Artikels immer noch aus. Die ÖDP fordert daher, endlich die Möglichkeit von bundesweiten Volksentscheiden zu schaffen, wie sie auch eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgern befürwortet. Denn gute direktdemokratische Verfahren sind als Ergänzung und Korrektiv der parlamentarischen Gesetzgebung dringend notwendig.
"Die jüngsten Abstimmungen in Ungarn, Großbritannien und der Türkei sind keine ernstzunehmenden Gegenargumente, denn das waren gerade keine guten direktdemokratischen Verfahren, sondern von oben angesetzte Plebiszite nach Gutdünken der Herrschenden. Gute Verfahren zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie aus dem Volk heraus initiiert werden und dass es ausreichend lange und faire Diskussionsprozesse gibt, so dass die Bürgerinnen und Bürger schließlich informiert und frei entscheiden können", hebt Dr. Reinhold Reck vom Bundesarbeitskreis für Demokratie, Außenpolitik und Europa in der ÖDP abschließend hervor.

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