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Gemeinwohl-Zertifizierung belegt ein wertorientiertes Arbeiten

Was ist eine Gemeinwohl-Zertifizierung?

Gerald Morgner: Die Gemeinwohl-Zertifizierung ist ein Prozess, bei dem Unternehmen ihre Leistung anhand der Werte und Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie bewerten lassen. Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist ein Wirtschaftsmodell das darauf abzielt, das Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt des Wirtschaftens zu stellen, anstatt ausschließlich Wachstum und den finanziellen Gewinn zu maximieren.

Um den Erfolg eines Unternehmens/einer Organisation oder einer Investition am Gemeinwohl zu bemessen, hat die GWÖ in einem partizipativen Prozess Indikatoren entwickelt, mit denen 20 Themenfelder (siehe Gemeinwohl-Matrix) in der Gemeinwohl-Bilanz bewertet werden.

Der Gemeinwohl-Bericht, als Resultat der Bearbeitung der 20 Themenfelder (siehe Gemeinwohl-Matrix), bildet die Aktivitäten der Organisation in Bezug auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN und die Lieferketten ab. Dabei bemisst die GWÖ den Beitrag zum Gemeinwohl anhand der Werte Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung.

Unternehmen, die sich zertifizieren lassen möchten, müssen ihre Leistung in diesen Bereichen darlegen und nachweisen und erhalten nach der Auditierung ein entsprechendes Zertifikat.

Wer lässt sich zertifizieren und warum?

Mit einem Gemeinwohl-Bericht stellen Unternehmen gelebte Werte und nachhaltige Leistungen in einer übersichtlichen Struktur dar und können sich als gesellschaftlich nutzbringende Organisation öffentlich zeigen. Damit legen sie einen Grundstein für Vertrauen und fördern die langfristige Zusammenarbeit mit wichtigen Berührungsgruppen (=Stakeholdern). Die Gründe, warum sich Organisationen für die Gemeinwohl-Zertifizierung entscheiden, können vielfältig sein, darunter:

  • Demonstration von sozialer und ökologischer Verantwortung
  • Stärkung der Unternehmensreputation und Glaubwürdigkeit
  • Erfüllung von Kunden- und Stakeholdererwartungen
  • Steigerung der Mitarbeitermotivation und -bindung
  • Förderung von langfristigen Werten und einer nachhaltigen Unternehmensführung
  • Differenzierung von Wettbewerbern durch gemeinwohlorientierte Praktiken

Wie geht ein solcher Zertifizierungsprozess vor sich?

Es gibt verschiedene Wege zur Erstellung eines Gemeinwohl-Berichts, Unterstützung mit einem Berater, in der Peer Gruppe oder auch eigenständig.

Unterstützung mit einem Berater
Der Gemeinwohl-Bericht kann mit Hilfe von GWÖ-Beraterinnen oder -beratern erstellt werden. Sie erleichtern es, die Themen zu verstehen und Fortschritte zu erzielen, auch indem sie den Prozess der Berichterstattung an die individuellen Bedürfnisse der Organisation anpassen, unterstützt durch Beispiele und Expertinnen- oder Expertenwissen.

Peer-Gruppe
Eine Peergruppe besteht aus vier bis sechs Organisationen und wird von GWÖ-Beraterinnen oder -beratern und GWÖ-Auditorinnen oder -Auditoren unterstützt. Die Teilnehmenden erstellen ihre individuellen Berichte in einer Reihe von Workshops, die innerhalb eines Zeitraums von etwa sechs bis neun Monaten stattfinden. Diese Arbeit bildet die Grundlage für eine Peer-Evaluierung, die die externe Prüfung ersetzen kann.

Eigenständig
Der Gemeinwohl-Bericht kann selbstständig erstellt werden. Zur Unterstützung bei der Erstellung des Berichts stehen Materialien zur Verfügung, beispielsweise die Arbeitsmappe, die Berichtsvorlage, der Gleichgewichtsrechner, Berichtsleitlinien und ausführliche Online-Informationen.

Der Zertifizierungsprozess umfasst in der Regel die Durchführung eines Gemeinwohl-Berichts, in dem die Leistung des Unternehmens dokumentiert wird, und eine externe Prüfung durch einen Auditor. Nach erfolgreichem Abschluss des Zertifizierungsprozesses erhält das Unternehmen eine Gemeinwohl-Zertifizierungsurkunde, die seine Bemühungen um eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Unternehmensführung anerkennt.

Detailliert könnte so etwas wie folgt aussehen:

(dieser Prozess betrifft gilt sowohl für die Unterstützung mit einem Berater, als auch durch eine Peer Gruppe)

Im ersten Schritt bzw. Kick-off–Meeting wird die Zusammensetzung eines begleitenden Projektteams der Gemeinwohl-Bilanzierung besprochen. In den Projektteams sollten möglichst Personen aus den unterschiedlichen Abteilungen/Gremien vertreten sein. Nach finaler Zusammensetzung des Projektteams werden die Mitglieder mit Hintergrundinformationen zur Gemeinwohl-Ökonomie, dem Handbuch Vollbilanz und der Berichtsvorlage ausgestattet. Der erste Workshop im Bilanzierungsprozess dient zudem als Kick Off, um die Mitglieder des Projektteams in Hintergrund und Logik der GWÖ, Prozess, Methoden, Beteiligung, Bewertungsmodus, Berichtsform, GWÖ-Bericht, Auditierung einzuführen.
Die Workshop-Termine werden moderiert und geleitet. Ziel der Workshopreihe ist die Erarbeitung, Diskussion, Bewertung von Bilanzindikatoren (siehe Punkt 1) und die Erstellung eines Gemeinwohlberichtes.

In und zwischen den Workshops wird der GWÖ-Bericht durch das Projektteam des Unternehmens oder der Organisation sukzessive erstellt. Er orientiert sich an einer Berichtsvorlage, er enthält Informationen zum Unternehmen/Organisation, ihren GWÖ-Bezug und stellt die Eigenbewertung dar. Berichtet wird zu allen zwanzig Themenfelder in den Berührungsgruppen (=Stakeholder) und zu Entwicklungs- und Verbesserungspotenzialen. Ein GWÖ-Bilanzrechner führt die Eigenbewertung zu einer finalen Punktzahl zusammen.

Je nachdem, ob ein Einzelprozess stattfindet, oder in einer Peer-Gruppe, findet am Ende des Prozesses ein externes Audit statt oder eben durch die Peer-Gruppe begleitet durch Beraterinnen und Berater.

Insgesamt sollte der Prozess in einem Zeitraum von 6-9 Monaten abgeschlossen sein.

Welche Aussagekraft hat ein solches Zertifikat?

Mit der Gemeinwohl-Bilanz dokumentieren Unternehmen und Organisationen, dass sie nach den vier Grundwerten (Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Mitbestimmung und Transparenz) der GWÖ arbeiten und diese in der täglichen Praxis umsetzen. Sie erarbeiten Verbesserungspotentiale und setzen diese mit konkreten Maßnahmen um.

Die Gemeinwohl-Zertifizierung bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre soziale und ökologische Verantwortung zu stärken, ihr Engagement für das Gemeinwohl zu demonstrieren und sich von anderen Unternehmen/Organisationen zu differenzieren, die ausschließlich auf finanzielle Gewinne abzielen. Sie kann auch dazu beitragen, das Vertrauen von Kunden, Mitarbeitern und anderen Stakeholdern zu stärken und langfristige Partnerschaften mit nachhaltig orientierten Partnern aufzubauen.

Die GWÖ-Bilanz ist eine ethische Bilanz, die parallel zur finanziellen Bilanz erstellt wird und erfasst auf der Basis der Gemeinwohl-Matrix den Beitrag zum Gemeinwohl, der durch das wirtschaftliche Handeln entsteht. Da sie ganzheitlich ist, deckt sie gängige CSR-Berichtsstandards ab und geht sogar darüber hinaus.