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Persönlicher Kommentar

Familie kann und ist mehr

Was sozial und emanzipatorisch klingt, kann ins Gegenteil kippen: Wenn Familienpolitik nur von wirtschaftlichen Grundsätzen geleitet wird, gefährdet sie das Fundament einer Gesellschaft.

Familienpolitik in Deutschland verkommt – bei allen etablierten Parteien und leider auch in vielen Ländern der Erde – immer mehr zur reinen Wirtschaftsabsicherungspolitik. In seinem Essay für die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) brandmarkt der Journalist Rainer Stadler dies – zurecht, wie ich finde – mit harschen Worten: „Familie wird wirtschaftskompatibel gemacht.“

Das ist eine fatale Fehlentwicklung! Vordergründig gelten ein Ausbau der Kinderkrippen oder Ganztagsschulen als emanzipatorische Leistungen. Sie ermöglichen eine „bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Eine stärkere Einbindung der Frauen in die Arbeitswelt und damit – endlich – eine Steigerung ihrer Einkommen und Renten gilt als soziale Errungenschaft der modernen Gesellschaft. Viele mögen dies so empfinden, weil sie dadurch Freiheiten für sich gewinnen. Wer anders denkt, gilt als rückständig.

Die Erfolge haben – wie alles – jedoch auch ihre Schattenseite. Die Wahlfreiheit werde erkauft, schreibt Stadler: Diese Art der Familienpolitik „zwingt Eltern in ein Lebensmodell, das längst nicht alle anstreben, das aber einflussreiche Kräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft als wünschenswerte Norm erachten“. So degradiert Familie zum bloßen Produktionsfaktor, allzeit bereit zur Steigerung des Bruttosozialprodukts.

Macht das Sinn? Wohl kaum! Es ist sogar gefährlich: Unser Zusammenleben im engsten Kreis der Anverwandten hat doch seit jeher – auch und gerade – eine ganz andere Funktion. Es schützt die Schwächeren (Kinder und Ältere). Es fördert Gemeinsamkeit, die uns im täglichen Bestehen mit und manchmal auch gegen andere, weiterbringt. Es schult Gemeinsinn, ohne den der Austausch mit anderen und damit ein geregeltes Miteinander kaum möglich erscheint.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er kommuniziert (mal besser, mal weniger gut), er teilt: Wissen und Besitz. Das gehört zu den Grundregeln, die wir seit unseren Anfängen (mal besser, mal weniger gut) beherzigen. Familie vornehmlich durch die Brille der Ökonomen zu sehen, entspricht ihrem eigentlichen Wesen keinesfalls. Zwar ist ein auskömmliches Einkommen wichtig, um das Überleben zu meistern. Sinn von Familie aber ist nicht Profitmaximierung – dieses Prinzip richtet schon in den globalen Volkswirtschaften viel zu viel Schaden an. Familie basiert eher auf dem Fundament des Zusammenhalts. Sie orientiert sich am Gemeinwohl, will das Beste für alle erzielen.

Ich hatte vor Jahren die einmalige Chance, gemeinsam mit dem damaligen Leiter des Gross National Happiness-Centers von Bhutan, Ha Vinh Tho, dessen Buch Grundrecht auf Glück schreiben zu dürfen. In unzähligen Gesprächen mit Tho lernte ich einiges über buddhistische Philosophie und erfuhr vor allem, dass ein gelingendes Miteinander unabhängig vom Materiellen ist. Glückliche Menschen zeichnet aus, wie sie ihr Miteinander organisieren (ähnlich einer intakten Familie) – dabei spielt der Sinn im Leben die viel entscheidendere Rolle als vordergründig der Status oder Vermögen. Es geht darum, Werte zu leben – dabei kann Familie helfen, denn dort treffen wir zuerst auf Vorbilder. Hier, von ihnen und mit ihnen, können wir lernen, was im Leben zählt: Unterstützung – oder auch: Orientierung am Gemeinwohl.  

Autor/in:
Gerd Pfitzenmaier
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