Persönlicher Kommentar
Hitzetod in Deutschland: Eine unterschätzte Gefahr
Persönlicher Kommentar zum heißen Sommer
Thomas Löb - Foto: ÖDP
Hitzebedingte Todesfälle sind in Deutschland eine reale, jedoch nach wie vor unterschätzte Folge extremer Temperaturen. Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin in Augsburg und Autorin des Buches Überhitzt, warnt eindringlich: „Dieser Sommer wird einer der kühleren sein, den ein heute geborenes Kind je erleben wird.“ Die Auswirkungen der Erderwärmung sind längst spürbar – heiße Tage nehmen zu, tropische Nächte bringen kaum Abkühlung, und der menschliche Körper gerät zunehmend an seine Belastungsgrenze. Was früher als Sommerfreude galt, wird heute zur Gesundheitsgefahr: Temperaturen über 30 Grad Celsius. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass bereits ab 32 Grad akute Lebensgefahr besteht – unabhängig von Alter, Fitness oder Gesundheitszustand. Besonders gefährlich ist der sogenannte Hitzestress, ein Phänomen, das laut Traidl-Hoffmann zu den gravierendsten, aber am wenigsten beachteten Folgen des Klimawandels zählt – im Gegensatz etwa zum Anstieg des Meeresspiegels, der medial deutlich präsenter ist.
Eine umfassende Studie des Umweltbundesamts (UBA) in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut (RKI) hat über vier Jahre hinweg die hitzebedingte Sterblichkeit in Deutschland untersucht. Die Ergebnisse sind alarmierend: In den Sommern 2023 und 2024 starben jeweils rund 3.000 Menschen an den Folgen extremer Hitze, besonders betroffen waren Regionen in West- und Süddeutschland. UBA-Präsident Dirk Messner betont, dass sich das Problem der Übersterblichkeit im Sommer durch den Klimawandel weiter verschärfen werde. Umso wichtiger sei es, dass Umwelt- und Gesundheitsschutz Hand in Hand gehen und gezielte Unterstützung für die Bevölkerung bereitgestellt wird. Doch die Realität sieht anders aus: Viele Kommunen sind finanziell überfordert und politisch allein gelassen. In ihrer Not greifen sie zu drastischen Maßnahmen – Wälder werden gerodet, Brachflächen versiegelt, um neue, oft überteuerte und sozial nicht verträgliche Wohngebiete zu schaffen. Ein ökologischer und sozialer Irrweg, der die Situation weiter verschärft.
Im Rahmen des Hitze-Checks 2025 analysierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) 190 Städte mithilfe eines neu entwickelten Hitzebetroffenheitsindex. Erstmals wurde ermittelt, wie stark die Bevölkerung in besonders gefährdeten Stadtteilen betroffen ist – vor allem dort, wo dichte Bebauung auf fehlendes Grün trifft. Das Ergebnis ist besorgniserregend: 31 Städte, darunter Mannheim, Nürnberg und Worms, erhielten die „Rote Karte“, 131 weitere Städte wurden mit der „Gelben Karte“ markiert. Insgesamt leben rund 12 Millionen Menschen in stark belasteten Quartieren mit hoher Versiegelung und kaum Grünflächen. Die Frage drängt sich auf, ob Deutschland unter diesen Bedingungen in Zukunft noch lebenswert sein wird.
Besonders betroffen sind Menschen in dicht bebauten Stadtgebieten mit wenig Grün. Hitzebedingte Todesfälle häufen sich vor allem bei älteren Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Bewohner von Pflegeeinrichtungen, Menschen ohne Zugang zu Klimaanlagen oder Kühlung, Bau- und Landarbeitern sowie Obdachlosen. Erschwerend kommen soziale Isolation, mangelnde Infrastruktur und fehlende Prävention hinzu.
Während andere Länder längst handeln, wird in Deutschland die Verantwortung für Hitzeschutzprogramme zwischen Bund, Ländern und Kommunen hin- und hergeschoben. Prof. Dr. med. Christian Witt, Seniorprofessor an der Charité Berlin und Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, ist ein prominenter Experte für die gesundheitlichen Auswirkungen von Umweltfaktoren wie Hitze und Luftverschmutzung. Er warnt etwa davor, dass viele ältere Menschen Medikamente einnehmen, die bei normalen Temperaturen getestet wurden – bei Hitze jedoch können Wirkung und Dosierung völlig anders ausfallen. Wer klärt darüber auf? Ist das Pflegepersonal ausreichend geschult? Witt kritisiert, dass unsere Gesellschaft Milliarden in den Schutz vor bestimmten Klimarisiken investiert, während auf andere – wie Hitze oder Allergien – kaum reagiert wird. Ab 32 Grad Celsius kann der menschliche Körper nicht mehr ausreichend Wärme abgeben. Der Blutdruck sinkt, das Herz muss härter arbeiten, Organe können versagen. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, chronisch Kranke – aber auch gesunde Personen, die sich körperlich anstrengen. Claudia Traidl-Hoffmann bringt es auf den Punkt: „Es ist wie bei einem gekochten Ei – wenn das Eiweiß einmal hart ist, wird es nicht mehr weich.“ Die Schäden durch extreme Hitze sind oft irreversibel.