Persönlicher Kommentar
„Rollback“ an der Fleischtheke? Ein rabenschwarzer Tag für den Tierschutz
Wenn Agrarpolitik zur Zeitreise wird und plötzlich wieder am Stand der 90er Jahre festhängt, dann schrillen bei mir die Alarmglocken. Besonders spektakulär inszenierte sich CSU-Parteichef Markus Söder bei der Vorstellung von Alois Rainer als neuem Bundeslandwirtschaftsminister – ein Populismus-Schauspiel der Extraklasse. Söder, der sich in seinen Social-Media-Auftritten häufiger als Foodblogger und Döner-Influencer bei der Jugend anbiedert, statt als verantwortungsbewusster Politiker aufzutreten, setzte zur kalkulierten Provokation an: „Statt dem grünen, veganen Özdemir kommt jetzt der schwarze Metzger. Jetzt gibt es wieder Leberkäs statt Tofu-Tümelei. Das ist ein gutes Signal!“
Ein gutes Signal für wen? Für die Agrarindustrie, die weiter Profite auf Kosten von Tierwohl und Nachhaltigkeit macht? Für rückwärtsgewandte Ernährungsmythen, die längst als überholt galten? Während die Gesellschaft längst eine nachhaltige Landwirtschaft einfordert, bedient sich Rainer einer Anti-Reform-Rhetorik, die fatal an vergangene Jahrzehnte erinnert. Sein Mantra: „Fleischpreise macht nicht der Minister, sondern der Markt.“ Ein schöner Satz – und eine gefährliche Illusion. Die fatale Marktgläubigkeit Rainers bedeutet ein klares „Zurück in die Vergangenheit“. Denn dieser unregulierte Markt hat jahrzehntelang billigste Fleischproduktion und katastrophale Tierhaltungsbedingungen begünstigt. Eine Steuer auf Fleischprodukte oder eine gezielte Tierwohlabgabe, wie von der ÖDP seit Langem gefordert, könnte den dringend notwendigen Wandel einleiten. Doch stattdessen verteidigt die neue Agrarpolitik den Status quo – eine Realität, die Gesundheit, Umwelt und Tierschutz kompromittiert.
Besonders besorgniserregend ist Rainers Haltung zur Ernährungspolitik in Kitas und Schulen. Ein ideologischer Feldzug gegen moderne Ernährung? Wird er Essen zum neuen politischen Instrument machen? Droht ein staatlich verordneter Speiseplan, der ausgewogene Ernährung und wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert? Seit Jahren setzt sich die ÖDP für tiefgreifende Reformen ein – gegen den übermäßigen Einsatz von Reserveantibiotika, für Transparenz in der Lebensmittelproduktion und eine Landwirtschaft, die nicht bloß wirtschaftliche Interessen, sondern Nachhaltigkeit und Artenschutz als oberste Prinzipien anerkennt. Es reicht nicht, den „Markt regeln zu lassen“ – echte politische Verantwortung bedeutet, die Zukunft aktiv zu gestalten.
Alois Rainer steht für eine Agrarpolitik von gestern – wir aber kämpfen für morgen.
Hintergrundinfo:
Alois Rainer ist seit 2013 Bundestagsabgeordneter. Zuvor war sein Vater schon 18 Jahre im Bundestag, seine Schwester Gerda Hasselfeldt Bundesministerin unter Kohl und CSU-Landesgruppenchefin. Als Metzgermeister und Betreiber eines familiären Metzgerei- und Gaststättenbetriebs in der niederbayerischen Gemeinde Haibach hat Rainer tiefgehende Verbindungen zur konventionellen Fleischproduktion. Rainers Interessen werden die Agrar- und Fleischindustrie begünstigen, anstatt eine konsequente ökologische Transformation voranzutreiben.