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Persönlicher Kommentar

Verschwendung als Natur-Prinzip: Cradle-to-Cradle

Die Natur kennt keinen Abfall. Sie produziert Nährstoffe – in verschwenderischer Fülle. Sie hinterlässt nie schadhaften Müll. Nur wenn wir dieses Prinzip verstehen und in unser menschliches Denken und Handeln einbinden, hat die Erde – trotz der auf ihr lebenden Spezies Homo sapiens – eine Chance, die Umwelt und Klimakrise zu meistern. Auf dem Parteitag in Würzburg hatte dies Prof. Michael Braungart postuliert. Folgen wir seiner Erkenntnis.

„Weniger sei mehr“, nutzen wir in der ÖDP gern als ein Leitmotiv fürs Handeln. Den Energie- und Ressourcenverbrauch zu minimieren und den Artenschwund stoppen, gilt uns als Königsweg aus den Krisen der Welt. Die Abkehr von der als Treiber der Misere erkannten Wachstumsideologie vieler Ökonomen haben wir verinnerlicht. Aber führt das wirklich an Ziel?

Es klingt zwar nach Sich-Bescheiden. Der moralische Impetus suggeriert Verzicht und Beschränkung als Lösung für viele, wenn nicht all unsere Umweltprobleme. Weniger vom Üblen könne Natur und Klima wieder ins Lot bringen, könne uns in der ausufernden Wirtschafts-, Finanz- und Konsumwelt als Leitplanke helfen, wieder in die Spur zu kommen.

Besser als „weniger schädlich“ ist „nützlich sein“

Auf dem Würzburger Parteitag haben 2022 viele Parteimitglieder Prof. Dr. Michael Braungart zugehört. Sie beklatschten seine Thesen, fanden den Inspirator des Cradle-to-Cradle (C2C) anregend, manche überzeugend. Nähmen wir ihn und seine Argumente tatsächlich ernst, könnte die Schlussfolgerung lauten: Wir haben das Prinzip, wie Natur Probleme löst, offenbar (noch) nicht verstanden.

Die Lösung, die Braungart seit Jahrzehnten anbietet und mit zahlreichen Innovationen belegt, heißt keinesfalls, dass wir uns „weniger schädlich verhalten“ sollen. Sein Credo lautet: „Unser Handeln muss – endlich – nützlich werden.“ Dann nämlich ist Verschwendung kein Problem, sie hilft uns – und der Welt.

Richten wir unsere Aktion (und unsere Politik) daran aus: Sorgen wir dafür, dass unsere Produkte ausschließlich aus Materialien bestehen, die am Ende des Gebrauchszyklus als ungiftiger Nährstoff wieder im Naturkreislauf aufgehen. Dann können wir alles im Überfluss herstellen und verwenden, ohne dass wir Schaden anrichten. Die Natur zeigt, wie es geht: Jeder Kirschbaum blüht im Frühjahr überschwänglich. Millionen Blüten fallen wenig später auf die Erde und verrotten zu Humus, der dann andere Pflanzen ernährt. Kein „Abfall“ wird hierbei vergeudet.

Wo es hingegen bei Hightech-Produkten wie Windrädern, Solarmodulen oder E-Autobatterien ohne problematische Rohstoffe nicht geht, müssen wir diese so designen, dass wir die Materialien im geschlossenen technischen Kreislauf halten. Auch dann gelangen niemals Giftstoffe in die Umwelt. Solche Produkte, auch das ist eine Anregung Braungarts, sollten wir ohnehin völlig anders betrachten: Wenn die darin verwendeten Stoffe beim Hersteller verbleiben, weil die Kunden nur die jeweilige Dienstleistung zahlen statt Produkte zu erwerben, wird der Erzeuger im eigenen Interesse die Problemstoffe sparsam einsetzen oder für deren Wiederverwendung sorgen.

Das C2C-Prinzip erfordert, das sei nicht verschwiegen, vor jeder menschlichen Aktivität, das Produktdesign zu überdenken. Nur so schaffen wir es, die beiden Stoffkreisläufe, den biologischen und den technischen, sauber zu trennen und die Materialflüsse in ihrem Zirkel zu binden. Nur mit konsequenter Umsetzung der C2C-Philosophie schaffen wir eine Welt, in der Verschwendung als Prinzip Gutes bewirkt. Wir müssen uns nicht selbst kasteien und Verzicht predigen. Wir können ohne schlechtes Gewissen aus dem Vollen schöpfen – wie die Natur.

Autor/in:
Gerd Pfitzenmaier
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