Persönlicher Kommentar
Vorbild Paris kühlt sich während der Hitzewelle dank konsequenter Begrünungsstrategie ab
Thomas Löb - Foto: Gunnar Bernskötter
Bis dato verzeichnete die Metropole an der Seine jährlich fast 400 Hitzetote und hält damit den traurigen Rekord in Europa. Die sogenannte Vegetalisierung der letzten 10 Jahre unter der Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat nun nachweislich für deutlich kühlere Temperaturen in Paris gesorgt, was sich gerade in der aktuellen Sommerhitzeperiode immer nachdrücklicher zeigt. Die ÖDP verweist schon länger in ihren Wahlprogrammen auf solche Maßnahmen.
Ein zentraler Grund war bisher das Fehlen ausreichender Grünflächen in Paris, die für Abkühlung sorgen könnten. Hinzu kommt, dass die touristisch geschätzten Altbauten aus dem 19. Jahrhundert nur unzureichend gedämmt sind. Rund 80 % der dortigen Gebäude haben Zinkdächer, die sich bei 40 °C auf bis zu 85 °C aufheizen können. Besonders in den ehemaligen Dienstmädchenzimmern wird es im Sommer unerträglich, weshalb sich die meist studierenden Bewohner wie in einem Backofen fühlten. Eine Lehre war der Glutsommer 2003 für Paris und ganz Frankreich, als landesweit 15.000 Menschen starben. 40 Prozent der Verstorbenen lebten allein und wurden oft erst Tage später gefunden. Im Großraum Paris waren damals die Leichenhallen derart überfüllt, dass im Großmarkt eine Kühlhalle zur Aufbahrung genutzt werden musste.
Selbst in Deutschland waren es in diesem Hitzesommer nachweislich über 7.600 Hitzetote. Im Vergleich dazu eine Zahl von Menschen gestellt, die bei Verkehrsunfällen in Deutschland ums Leben gekommen sind: 2024 waren es 2.780, in den 1970er-Jahren lag sie noch bei über 20.000 jährlich. Damals steuerte man bewusst mit Gesetzen und Verboten gegen.
Städte sind besonders betroffen, da sie sogenannte Wärmeinseln bilden. Dort bleibt es auch nachts heiß, was die Erholung des Körpers erschwert. Hitze kann den Kreislauf stark belasten, zu Flüssigkeitsmangel führen und bestehende Krankheiten verschlimmern. Schwächeanfälle sind oft ein Vorbote schwerwiegenderer Komplikationen wie Hitzschlag, Herzversagen oder Atemnot.
Um eine solche Tragödie künftig zu verhindern, beschloss die französische Regierung 2004 einen Hitzeplan. Grundlage sind die Voraussagen des Wetterdienstes. An die vier Hitzewarnstufen ist ein Alarmsystem der Gesundheitsbehörde gekoppelt, das je nach Stufe entsprechende Maßnahmen von Kommunen und Präfekturen einfordert. Unter Alarmstufe Orange, die zuletzt fast ganz Frankreich betraf, muss die Bevölkerung gewarnt werden und Freiluftveranstaltungen können verschoben werden. Bei Stufe Rot erhalten Präfekten die Befugnis, Sportevents oder Festivals vollständig abzusagen.
Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrhundert ist nun das Baden in der Seine wieder möglich. 1,4 Milliarden Euro haben Regierung und Kommunen ausgegeben, um im Vorfeld der Olympischen Spiele im vergangenen Jahr die Wasserqualität des Flusses zu verbessern. Die Bürgermeisterin gilt als Vorreiterin im Kampf gegen die Klimakrise. Sie verbannte nicht nur das Auto weitgehend aus dem Stadtzentrum, sondern ließ in den vergangenen zehn Jahren auch mehr als 200.000 Bäume pflanzen. Allein im vergangenen Herbst und Winter waren es rund 15.000. Von Asphalt zu Lebensraum umgestaltet: Einst versiegelte Flächen wie Parkplätze oder Straßenabschnitte verwandeln sich in grüne Rückzugsorte. Bäume, Blumenbeete und Gemeinschaftsgärten treten an die Stelle des grauen Betons. Auch sogenannte „Gartenstraßen“, die ganze Straßenzüge mit Pflanzinseln und Hecken durchziehen, tragen nun dazu bei, das lokale Mikroklima spürbar zu verbessern. 200 Straßen wurden derart verwandelt. Erst im März haben die Bürger der Begrünung weiterer 500 Straßen zugestimmt. Auch Fassaden und Hausdächer werden begrünt. Was anfangs eher belächelt wurde, zeigt gerade in der aktuellen Hitzewelle erste, teils spektakuläre Resultate. Studien zeigen, dass sich dort an heißen Sommertagen die gefühlte Temperatur um mehrere Grad senken lässt – ein Effekt, der deutlich zur Abkühlung beiträgt und das Stadtleben angenehmer macht. Besonders wichtig sind der Bürgermeisterin die Schulhöfe: 165 wurden bereits begrünt und mit Wasserspendern ausgestattet. Die Académie du Climat reduzierte durch Dachbegrünung die Temperatur ihres historischen Gebäudes von 67,5 °C auf 35,7 °C – ein überzeugender Beweis für die kühlende Wirkung grüner Dächer.