Zur Hauptnavigation springenZum Hauptinhalt springen

Persönlicher Kommentar

Neue Familienformen – neue Herausforderungen für staatliche Unterstützung

Gefühlt begegnen uns nirgendwo so viele Familien wie im Urlaub – vorzugsweise am Strand, wo die Kinder genau dort herumtoben, wo man selbst gerade in Ruhe den neuesten Stephen King-Roman lesen möchte. Oder im Zug, an der Hotelbar, an all diesen klassischen Urlaubsorten. Während das wahrscheinlich schon immer so war, hat sich das Familienbild hingegen in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Was heißt das nun für die Politik?

Familie im Wandel

Dass die traditionelle Familie, wie man sie aus Kinderbüchern der 60er Jahre kennt, mittlerweile nicht mehr „en vogue“ ist, dürfte niemanden überraschen. Im Juli, dem „Pride Month“, wird das farbenfroher ersichtlich denn je: Der Aufbruch patriarchaler und heteronormativer Familien- und Gesellschaftsstrukturen wird mit Regenbogenflaggen gefeiert, auf den Straßen, an Rathäusern, auf Social Media, im ganzen Land (auch wir natürlich mitten drin, siehe z.B. hier beim Christopher Street Day in Mönchen-Gladbach).

Zwar ist die Anzahl der sog. „Regenbogenfamilien“, also Familien mit gleichgeschlechtigen Elternpaaren, nur sehr gering (2016 wuchsen nur 0,07 % aller Kinder in Regenbogenfamilien auf*; doch auch in anderer Hinsicht hat sich das Konzept „Familie“ verändert. Die Scheidungsrate liegt derzeit bei ca. 40 % (1960 waren das noch ca. 10%**, über 2,5 Mio. Eltern in Deutschland sind alleinerziehend***. Obwohl dabei immer noch die Mehrheit Frauen sind, beteiligen sich immer mehr Väter an der Kindererziehung: Immerhin 40% der Väter beziehen mittlerweile Elterngeld und reduzieren dabei zeitweise ihre Arbeitsstunden, um beim Kind, den Kindern sein zu können. Drei von vier Müttern sind erwerbstätig****. Auch Erziehungsstil und gemeinsames Zusammenleben haben sich entsprechend verändert: Die Rolle des Vaters als unnahbarem, strengem Patriarchen-Familienoberhaupt ist passé, auch Kinder haben oft mehr Mitspracherecht in Familienangelegenheiten.

Neue Familienformen - neue Herausforderungen für staatliche Unterstützung

Zwar haben sich staatliche Unterstützungsmodelle für Familien mit Elterngeld und Co. der aktuellen Situation bereits etwas angepasst, doch das reicht bei Weitem nicht aus. Zum Beispiel sind Frauen in diesem System nach wie vor benachteiligt, wie die Statistik zeigt:

  • Immer noch sind es größtenteils Frauen, die nach dem Kinderkriegen in Teilzeit arbeiten. Dies verschärft die Ungleichheit der Geschlechter nicht nur in puncto Gehalt, sondern zieht sich in unserem aktuellen Rentensystem langfristig bis zur Altersarmut durch.
  • Das Rentensystem per se funktioniert in unserer (überalternden) Gesellschaft nicht mehr, wie es soll: Der Generationenvertrag ist schlicht unfair, weil zwar alle (erwachsen gewordenen) Kinder für sämtliche Rentnerinnen und Rentner zahlen müssen, die Kosten für die Kindererziehung jedoch nicht gemeinschaftlich getragen, sondern hauptsächlich bei den Eltern belassen werden. So steigt der finanzielle Druck auf Familien.
  • Dadurch können Familien zum Beispiel die Entscheidung, welcher Elternteil bei den Kindern bleiben und welcher weiter Vollzeit arbeiten soll, eben doch nicht ganz freiheitlich fällen: Wenn das Gehalt weiterhin entscheidet, ist es doch eben häufig die Frau, die zurückstecken muss. Mit den oben genannten Auswirkungen.
  • Das Elterngeld in der heutigen Form, wenn auch sicher eine Verbesserung im historischen Vergleich, festigt außerdem nach wie vor patriarchale Gesellschaftsstrukturen, in denen Kinderbetreuung und -erziehung weiter als minderwertige Aufgabe gesehen wird: Elterngeld ist nur eine Lohnersatzleistung, die Kindererziehung damit also nichts, was einen eigenen, echten Lohn verdient. 

Wird das alles einem modernen Familienbild gerecht? Wir glauben, nein. Wir wollen hier deshalb mit dem Konzept eines sozialversicherungspflichtigen Erziehungsgehalts ansetzen, das Familien entlasten, echte Wahlfreiheit schaffen und die Gleichberechtigung vorantreiben soll. Genauer beschrieben haben wir das Konzept hier.

Familien verdienen Schutz, Anerkennung und Mitspracherecht!

Dass Familien und Kinder von staatlicher Seite systematisch vernachlässigt werden, hat die Corona-Pandemie mehr denn je gezeigt. Familien brauchen stärkeren Schutz und mehr finanzielle Unterstützung in Deutschland - das heißt auch bessere finanzielle Ausstattung von Alten- und Pflegeheimen, das heißt mehr Personal für Kitas und Kindergärten, eine bessere Unterstützung von Schwangeren, mehr Förderung von innovativen Wohnkonzepten wie Mehrgenerationenhäusern, … Auch demokratische Teilhabe ist hier ein wichtiger Punkt: Es gibt derzeit knapp 14 Mio. Minderjährige in Deutschland*****. Gemessen an den 83 Mio. Einwohnern, die wir insgesamt haben, ist das eine beträchtliche Anzahl, die ihre parlamentarischen Vertreter in den allermeisten Fällen nicht wählen darf - ein Skandal, wie wir finden


Quellen:

* https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/homosexualitaet/269064/regenbogenfamilien-in-deutschland/

** https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76211/umfrage/scheidungsquote-von-1960-bis-2008/

*** https://de.statista.com/statistik/daten/studie/484867/umfrage/anzahl-minderjaehrige-scheidungskinder-in-deutschland/

**** https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_N017_13.html

***** https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1174053/umfrage/minderjaehrige-in-deutschland-nach-altersgruppen/ 

Autor/in:
Fenya Kirst
Zurück