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Jede Kommune hat ihre Mobilfunk-Vorsorgepolitik selbst in der Hand!


Generell ist es den Gemeinden im Rahmen ihrer Planungshoheit (durch Art. 28 GG geschützt) möglich, für besonders schutzbedürftige Teile ihres Gebietes einen über die Anforderungen der 26. BImSchV hinausgehenden Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch EMF zu erreichen. Das zeigt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 30. 08.2012 (BVerwG 4 C 1.11, NVwZ 2013, 304):

„Den Gemeinden steht es frei, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (…). Sie dürfen Standortplanung auch dann betreiben, wenn bauliche Anlagen nach den maßgeblichen immissionsschutzrechtlichen Maßstäben – hier den Grenzwerten der 26. BImSchV – unbedenklich sind (was heißt, dass Grenzwerte unterschritten werden können, Anm. d. Verf.)“

Damit ist höchstrichterlich geklärt, dass sich die Gemeinde bei solchen Vorhaben nicht auf rechtlich irrelevante „Immissionsbefürchtungen“ stützt, die kein städtebauliches Gewicht hätten. Vielmehr sind die im Zusammenhang mit Mobilfunk bestehenden Besorgnisse dem „vorsorgerelevanten Risikoniveau“ zuzuordnen. (1)

Solange die Bundesregierung zu den neuen Techniken (inklusive 5G) keine umfassende und unabhängig anerkannte Technikfolgenabschätzung vorgelegt hat, kann die Kommune:

•    Einerseits im Rahmen einer Bauleitplanung neue Vorhaben der Mobilfunktechnik mittels einer Veränderungssperre im Sinne des §14 BauGB Nutzungsänderung vorübergehend verhindern.
•    Andererseits kann sie mit dem Aufstellungsbeschluss eines Bauleitplans entsprechende Baugesuche nach §15 Abs. 3 BauGB zurückstellen, was einem Moratorium für die Inbetriebnahme neuer/veränderter Antennenanlagen gleicht.

Das Verständnis für die Vorsorge ist für die verwandten Themen Luftverschmutzung oder Lärm hinlänglich bekannt. Für den Mobilfunk bietet sich folgendes an:

Einstrahlung steuern statt Masten-Standorte bestimmen:

Das Gemeindegebiet wird unterschieden in Flächen für Baugebiete, Infrastruktur, Rohstoffabbau oder Naturschutz (um nur einige Beispiele zu nennen). In besonders schutzbedürftigen Gebieten sollte die Mobilfunk-Einstrahlung außerhalb von Gebäuden folgendermaßen begrenzt werden:

<= 100 µW/m2 (0,2 V/m): Bereiche mit genereller Umweltvorsorge
<=    1 µW/m2 (0,02 V/m): Besondere Umweltvorsorge (sogenannte Weiße Zonen).

Dieser per Ortssatzung im Bebauungsplan bzw. im Flächennutzungsplan dokumentierte Schutzanspruch einer Gemeinde kann zeichnerisch oder textuell festgelegt werden!

Im Rahmen der Beteiligungspflicht bei der Planaufstellung haben die Mobilfunkbetreiber Gelegenheit, die mit dem Recht auf Vorsorge begründeten Anforderungen zu prüfen. Neue oder veränderte Anlagen sind erst dann in Betrieb zu nehmen, wenn die verbindlich festgelegten Richtwerte für bestimmte (Wohn-)gebiete eingehalten werden. Bei bereits bestehenden Anlagen sollten Verhandlungen zur Anpassung an die Planziele aufgenommen werden.

Wie ist das zu erreichen?
Für den Bereich der besonderen Umweltvorsorge sind u.a. die bestehenden ca. 4400 Funklöcher (2) in Deutschland prädestiniert. Hier muss u.a. klar kommuniziert werden, dass dem Gesundheitsschutz Vorrang gegeben wird vor dem Mobilfunk-Empfang.

Für den Bereich der generellen Umweltvorsorge erscheint es sinnvoll, frühzeitig mit den Betreibern der Mobilfunkinfrastruktur ein gemeinsames Vorgehen anzustreben. Eine Möglichkeit ist es, statt herkömmlicher Mobilfunksender (Makrozellen) auf ein Netz aus Kleinzellen (Femtozellen) umzustellen (St. Gallener Modell) (3) :

a) Reduktion auf ein einziges Netz für alle Betreiber
b) Verringerung der Übertragungswege (mit Kleinzellen) und damit auch der erforderlichen Sendeleistungen
c) Antennen außerhalb der Gebäude werden gegenüber den Gebäuden abgeschirmt und so montiert, dass die Einstrahlung in Gebäude minimiert wird.
d) Getrennt von dieser Outdoor-Versorgung kann die Indoor-Versorgung individuell gestaltet werden:
•    Versorgung möglichst mit Glasfaserkabeln bis in jede Wohneinheit und innen dann mit LAN-Kabeln.
•    Für mobile Indoorgeräte ist VLC (Visual light Communication= Led-Datenübertragung) zu empfehlen.

Außerdem bietet auch die Ortsgestaltungs-Satzung noch eine Möglichkeit für die Kommunen, Einfluss auf die Planung der Sendeanlagen zu nehmen: Zum Beispiel können hier bestimmte Gebiete als unzulässig oder auch bestimmte Gebiete als ausschließlich zulässig erklärt werden.

11.05.2021, AH

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[1] W. Kühling, 5G/Mobilfunk durch Gesamträumliche Planung steuern. Kompetenzinitiative, Heft 13. https://kompetenzinitiative.com/wp-content/uploads/2021/01/Magazin_final_web.pdf, abgerufen am 31.03.2021

[2] In DIE ZEIT Nr. 44 v. 22.10.2020, S. 64 nimmt das Bundesverkehrsministerium an, dass noch etwa 4.400 Funklöcher in Deutschland verbleiben, auch wenn die Auflagen aus den Frequenz-Auktionen erfüllt sind.

[3] Diagnose-Funk, https://www.diagnose-funk.org/ratgeber/mobilfunk-5g-risiken-alternativen/alternativen-strahlungsminimierung-selbstschutz/das-modell-st-gallen-wireless-weniger-strahlung-mehr-daten, abgerufen am 31.03.2021