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4. Planetare Grenzen einhalten – Natur, Klima und Artenvielfalt schützen

Flächenversiegelung, Vernichtung natürlicher Lebensräume, Eintrag chemischer Substanzen in die Umwelt und die Verbrennung fossiler Rohstoffe haben nicht nur viele Lebensräume einzelner Tiere und Pflanzen zerstört, sie gefährden die Existenz des Lebens auf der Erde überhaupt. Sechs planetare Grenzen sind teilweise massiv überschritten: (1) Artensterben, (2) Klimaüberhitzung, (3) Umweltbelastung mit Mikroplastik u. a., (4) Überdüngung mit Stickstoff und Phosphor, (5) Abholzung, Grünlandumbruch und Versiegelung und (6) Verlust der Bodenfeuchtigkeit (4). Das erfordert eine umfassende Wende bei der Nutzung und Belastung der natürlichen Lebensgrundlagen. Den ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten der Nachhaltigkeit muss endlich gleiche Bedeutung beigemessen werden. Die Berücksichtigung planetarer Grenzen, der Schutz von Natur und Artenvielfalt, Boden, Wasser, Luft und Klima sind auf die gleiche Stufe zu stellen wie die wirtschaftliche Entwicklung. Die Europäische Union muss zu einer Schutz-Union für den Planeten Erde werden.

Die ÖDP fordert daher auf EU-Ebene:
•    Umsetzung der Beschlüsse der UN-Weltnaturkonferenz (COP15).
•    Ziel der Klimaneutralität bis 2030 durch Beendigung der Nutzung fossiler Energieträger und anschließende Senkung des CO2-Gehalts der Atmosphäre von derzeit 420 auf den sicheren Wert von 350 ppm mit natürlichen Methoden, insbesondere durch konsequenten Schutz und Reaktivierung der Moore, der Wälder, des Grünlands, durch Humusaufbau und gegebenenfalls Pflanzenkohleeinbringung (Terra Preta) in Ackerböden, aber ohne unterirdische Speicherung von CO₂.
•    Anerkennung der Natur als eigenes Rechtssubjekt und Aufnahme des Rechtsstatus der Natur in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
•    Schaffung geeigneter Rechtsformen für bedeutende Teile der Natur (Wälder, Moore, Flüsse u. a.) analog zu den europäischen Gesellschaftsformen für Unternehmen, Europäische Gesellschaft (SE), Europäische Genossenschaft (SCE) und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), damit diese vor Gericht vertreten werden können.
•    Konsequente Verfolgung aller UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) und Umsetzung der in der EU vorhandenen Abkommen und Richtlinien zum Umweltschutz.
•    Konsequente Durchsetzung des Verursacherprinzips bei Umweltschäden, internationale Übereinkunft zur Unternehmensverantwortung gegenüber der Natur und Gewährleistung der Unternehmenshaftung für Schäden innerhalb der EU und auch auf internationaler Ebene.
•    Beachtung und kontinuierliche Verbesserung des Umweltklage- und Informationsrechts für Bürger und Zivilgesellschaft.
•    Bepreisung der Umweltnutzung: Neben dem dringenden Ausbau der CO2-Bepreisung ist der Ver-brauch natürlicher Ressourcen wie Rohstoffe sowie Flächenversiegelung usw. durch kontinuierlich steigende Steuern so lange zu reduzieren, bis die Preise aller Produkte die wahren ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten widerspiegeln.
•    Besserer Schutz und Vorsorge vor gefährlichen Chemikalien (z. B. Weichmacher in Kunststoffen oder Flammschutzmittel in Elektrogeräten), zügige Ergänzung der Kandidatenliste besonders gefährlicher Stoffe gemäß der REACH-Verordnung, Ersatz der Stoffe auf der Substitute-It-Now (SIN)-Liste durch nachgewiesenermaßen ungefährliche sowie Verbot des Exports gefährlicher Chemikalien.
•    Zugang zu sauberem und gesundem Wasser, Sicherung der Grundwasserneubildung, Grundwasser- und Gewässerschutz: Stärkung und konsequente Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, Wieder-anbindung von Auenbereichen, Überprüfung von Einleitungsgenehmigungen in Flüsse und Seen und des geplanten Ausbaus der Flüsse als Verkehrswege, mehr Grauwassernutzung und geschlossene Wasserkreisläufe, Umbau der Städte zu „Schwammstädten“. Minimierung des Eingriffs in den Wasserhaushalt und vorrangiger Ausgleich vor Ort. Keine industriellen Ansiedlungen in Wasserschutzgebieten.
•    Generelles Verbot von Fracking, außerdem Verbot von Bohrungen in sensiblen Gebieten, ausgenommen für die kommunale Trinkwasserversorgung und für Wärmepumpen mit einem nicht wassergefährdenden Wärmeträger.
•    Bodenschutz: ein EU-weites Gesetz zum Schutz des Bodens. Verbesserung des Bodenzustands (rund 70 % aller europäischen Böden sind in einem schlechten Zustand). Ende des dramatischen Flächenfraßes und der fortschreitenden Flächenversiegelung in Europa mit ihren verheerenden ökologischen, städtebaulichen, sozialen und ökonomischen Folgen. Verpflichtung zur vorrangigen Nutzung von brachliegenden Siedlungsgebieten, Gewerbe- und Verkehrsflächen bei Neubauvorhaben. Im Falle von dringend gebotener Inanspruchnahme von neuen Flächen sind flächensparender Planung und Bebauung der Vorrang einzuräumen sowie angemessene Baumaterialien und Bauverfahren zu verwenden und echte Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Obergrenze für den Flächenverbrauch in der EU bis 2030 und Netto-Null-Flächenneuinanspruchnahme für Siedlung und Verkehr in der EU deutlich vor 2050. Bessere Information und Schulung von Verantwortlichen auf kommunaler und Landesebene für einen besseren Bodenschutz. Recht auf Bürgerbeteiligung bei Raumplanungsverfahren.
•    Vorbeugender Hochwasserschutz: Rückhaltung von Niederschlägen an der Stelle des Auftreffens durch Entsiegelung von Böden, Rückhaltebecken und ausgewiesene Überschwemmungszonen.
•    Meeresschutz: Beendigung der Überfischung der Meere, der Einleitung von (Mikro-)Plastik und giftigen und radioaktiven Stoffen und der Überdüngung mit Stickstoff und Phosphor. Erforschung von geeigneten Maßnahmen und deren Umsetzung zur Rettung und Sanierung der Weltmeere.
•    Natur- und Artenschutz: Ausweitung der Schutzgebietskulisse (u. a. Festsetzung neuer Naturschutzgebiete und Nationalparks), Schutz der letzten europäischen Urwälder. Erstellung von Bewirtschaftungsplänen mit Erhaltungszielen und -maßnahmen für Natura-2000-Schutzgebiete. Ausweitung des Schutzes gefährdeter Arten und Habitate. Sukzessive Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten. Etablierung eines funktionalen Biotopverbund-Systems auf mindestens 15 % der terrestrischen Fläche der Mitgliedsstaaten bis 2030. Beseitigung von Vollzugsdefiziten im Naturschutzrecht und bessere finanzielle und personelle Ausstattung unabhängiger Kontrollbehörden.
•    Moorschutz: Schutz intakter und fachgerechte Wiedervernässung degradierter Moore mit dem Ziel der möglichst weitgehenden Wiederherstellung torfbildender Ökosysteme. Nachhaltige Bewirtschaftung bisher stark entwässerter Moorböden durch moorerhaltende Bewirtschaftungsformen (z. B. Paludikulturen (5)). Stärkere Anreize für den Moorbodenschutz durch die Agrarförderpolitik (GAP). Umbruchverbot von Moorgrünland, Beendigung des Torfabbaus, Beschränkung des Imports torfhaltiger Produkte und Substrate sowie deren verstärkte Substitution durch klimafreundlichere Alternativen. Schutz naturnaher Moorwälder. Wiedervernässung und nachhaltige Bewirtschaftung forstwirtschaftlich genutzter Moorböden.
•    Waldschutz: Forcierung des Waldumbaus hin zu naturnahen Lebensräumen mit standortgerechten Baumgesellschaften überwiegend aus Laub- und Mischwäldern mit einer vielfältigen heimischen Pflanzen- und Tierwelt sowie einem gesunden, artenreichen Wildbestand. Förderung einer boden- und bestandschonenden Waldwirtschaft ohne chemische Pflanzenschutzmittel und Kalkung. Aufbau gesunder, stabiler und naturnaher Wälder mit Wechsel von strukturreichen Nutzwaldzonen und bewirtschaftungsfreien Naturwaldzonen (wie Urwälder). Ausweisung von mindestens 5 % der Gesamtwaldfläche als Wildnisgebiete. Schutz, Pflege und Neuanlage von Waldmänteln und -säumen. Schutz von unzerschnittenen Räumen. Anlage von Grünkorridoren, Erhalt alter Bäume und von Totholz. Honorierung von Maßnahmen zum Waldnaturschutz. Förderung von Agroforestry-Systemen (6). Aufbau und hinreichende Ausstattung einer europäischen Einsatzgruppe zur Bekämpfung von großen Waldbränden.
•    Landschaftsschutz: Etablierung von Hecken, Feldgehölzen und Waldinseln als ökologische Trittsteine auch in landwirtschaftlich genutzten Flächen durch gezielte Fördermaßnahmen. Erhalt und Ausbau von Alleen und Baumreihen entlang von Straßen und Feldwegen, innerhalb wie außerhalb urbaner Siedlungsräume. Förderung von Neu-, Lücken- und Nachpflanzungen, unter anderem durch Einrichtung eines europäischen Kulturgutfonds, welcher auch den Erhalt aller anderen kulturhistorischen Landschaftselemente fördert.

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(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Planetare_Grenzen; kurz nach Verabschiedung dieses Programms wurde publiziert, dass bereits sieben planetare Grenzen überschritten sind: https://www.nature.com/articles/s41586-023-06083-8
(5) Paludikultur (von lateinisch palus „Morast, Sumpf“ und cultura „Bewirtschaftung“) ist die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Moorstandorte z. B. durch Anbau von Röhricht für Reetdächer, Kultivierung von Pflanzen zur Energiegewinnung aus Biomasse oder von Torfmoosen als Torfersatz für Kultursubstrate im Gartenbau oder durch
Wasserbüffel-Beweidung.
(6) Agroforstwirtschaft (englisch agroforestry oder agroforesting) bezeichnet ein (teils mehrstöckiges) landwirtschaftliches Produktionssystem, das Elemente des Ackerbaus und der Tierhaltung mit solchen der Forstwirtschaft kombiniert.