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6. Land- und Forstwirtschaft sind Basis unseres Lebens

Die Landwirtschaft wurde innerhalb weniger Jahrzehnte von einer bäuerlichen Kreislaufwirtschaft zu einer industriellen Rohstoffproduktion für Nahrungsmittelindustrie und Energieerzeugung umgebaut. Die Subventions-, Freihandels- und Wettbewerbspolitik der EU war und ist ausgerichtet am Dogma des „Wachsens oder Weichens“. Statt der Versorgung der eigenen Bevölkerung uneingeschränkt Priorität zu geben, wird immer noch die Produktion für den Weltmarkt als Weg aus der Dumpingpreisfalle gepriesen. Zunehmende Abhängigkeit von Subventionen, von der chemischen Industrie sowie von Öl- und Futtermitteleinfuhren macht unsere Lebensmittelversorgung krisen- und störungsanfällig. Zudem profitieren von der Verteilung der EU-Subventionen vor allem große, intensiv wirtschaftende Betriebe. 4/5 aller Gelder fließen an 1/5 der Betriebe, kleinere Familienbetriebe bleiben auf der Strecke. In den letzten 20 Jahren ist bundesweit die Zahl der bewirtschafteten Höfe um fast 50 % gesunken.
Als äußerst negative Folge dieser Entwicklung schreitet das sog. Landgrabbing, also der Landraub, in Europa und überall auf der Welt immer weiter fort. Internationale Agrarkonzerne, Banken, Pensionskassen, Stiftungen und andere landwirtschaftsferne Investoren sichern sich riesige landwirtschaftliche Flächen als rentable Wertanlagen. Für bäuerliche Familienbetriebe sind diese Flächen damit verloren. Zusätzlich heizen ungebremster Flächenverbrauch durch Verkehrs-, Gewerbe- und Siedlungsprojekte sowie die Konkurrenz zur Energiepflanzenproduktion für Biogas die Pachtpreise an.  
Pestizide, Stickstoffüberdüngung und industrialisierte Bewirtschaftungsweisen haben uns auch in Europa an den Rand einer dramatischen Katastrophe gebracht: Wir befinden uns mitten im größten Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier! Besonders im landwirtschaftlich genutzten Offenland sind die Verluste bei Säugetieren, Vögeln, Insekten und Pflanzen desaströs. Die EU-Biodiversitätsstrategie wird nicht konsequent umgesetzt, Vorgaben werden oft nur unzureichend überprüft.
Zahlreiche Studien belegen, dass der Ökolandbau in allen gesellschaftlich wichtigen Bereichen (Klimaschutz, Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, Trinkwasserschutz, Schutz der Biodiversität, Tierwohl …) positiv zu bewerten ist (7). Sein Ausbau muss Priorität haben.

Die ÖDP fordert daher auf EU-Ebene:
•    Konsequente Neuausrichtung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) an Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft (Klimaschutz, Erhalt der Artenvielfalt, Gewässerschutz, Tierwohl …): öffentliches Geld nur noch für öffentliche Leistungen!  
•    Fördergelder müssen verbindlich an einfache, aber wirksame ökologische und soziale Standards gebunden werden. Abschaffung der pauschalen Flächenförderung!
•    Zahlungen sind anhand von Punktesystemen auf Basis leicht zu erfassender Betriebsdaten betriebsindividuell zu qualifizieren: Bauernhöfe mit höherem Grünlandanteil, mehr Biotopflächen, bodengebundener Tierhaltung, kleinen Schlägen, vielfältigeren Fruchtfolgen und höherer CO2-Bindung durch Ackerhecken, Humusaufbau und Einbringung zertifizierter Pflanzenkohle (8) in Böden müssen höher gefördert werden als Betriebe, die sich diesen Mehraufwand sparen und auf Rationalisierung und Mindeststandards setzen.
•    Die Erkenntnisse des Weltagrarberichts sind allen politischen Entscheidungen zugrunde zu legen: Stabile, regionale und innerbetriebliche Wirtschaftskreisläufe statt Weltmarktorientierung und Wachstumszwang! Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln kann nur erreicht werden durch eine Landwirtschaft, die möglichst unabhängig von Lieferketten, Futter- und Düngemittelimporten ist.
•    Förderung von Modellprojekten, z. B. stadtnaher, ökologischer Landwirtschaft zur urbanen Eigenversorgung.
•    Importstopp von Futtermitteln und landwirtschaftlichen sowie tierischen Produkten, die auf umweltschädliche und unsoziale Art produziert wurden. Fairhandel statt Freihandel!
•    Stopp von Landgrabbing und Agrarlandverkauf an landwirtschaftsferne Personen und Gesellschaften.  
•    Schrittweise Beendigung der Förderung für alle Agrokraftstoffe bis 2030! Kein Verbrennen mehr von Lebensmitteln im Tank!
•    Mehr Geld für Forschung in der Bio-Landwirtschaft! Mindestens 30 % der EU-Forschungsmittel im Bereich Landwirtschaft sind für Themen des Ökolandbaus zur Verfügung zu stellen.  
•    Verbesserung und Ausweitung des Beratungsangebots für Umstellungs- und Biobetriebe, v. a. in den Bereichen Vermarktung, Marketing und Verarbeitung sowie im Lebensmittelhandwerk. Wir fordern eine Prämie und Unterstützung für Betriebe des Lebensmittelhandwerks, die auf biologische Produktion umstellen wollen.  
•    Der Lebensmitteleinkauf aller öffentlichen Einrichtungen ist verpflichtend umzustellen auf mindestens 30 % Produkte aus regionaler Ökolandwirtschaft.
•    Die Grundlagen des Ökolandbaus müssen bei sämtlichen „grünen Berufen“ als gleichberechtigter Ausbildungsinhalt neben den konventionellen Lehrinhalten vermittelt werden.
•    Verbot von Glyphosat und allen Totalherbiziden, Halbierung des gesamten Pestizideinsatzes.
•    Grundlegende Reform des Systems der Risikobewertung, Zulassung und Kontrolle von Pestiziden. Ergebnisse des Gewässermonitorings müssen bei Stoffzulassungen in die Risikobewertung einfließen.
•    Exportverbot von in der EU verbotenen Pestiziden.
•    Sicherstellung von mehr Gewässerschutz nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL).
•    Förderprogramme für unterirdische Tröpfchenbewässerung zur Einsparung von Wasser.
•    Etablierung von Förderprogrammen für Dachgewächshäuser und Einsatz von Aquaponik für die Fischzucht.
•    Tierbestände sind auf umweltverträgliche Größenordnungen zu reduzieren (max. 2 GV/ha, z. B. 2 erwachsene Rinder/Hektar). Stallneubauten bzw. Umbaumaßnahmen sind nur noch zu fördern, wenn diese Vorgabe nicht überschritten wird. Zur Erreichung der Pariser Klimaziele müssen die Tierbestände in der EU bis 2045 halbiert werden.
•    Das Wohlergehen der Nutztiere muss bei der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik Vorrang bekommen: Verbesserung der Haltungsbedingungen für unsere Mitgeschöpfe! Bessere Haltungsbedingungen bedeuten auch weniger Antibiotikaeinsatz zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt!
•    Bessere Förderung der Weidetierhaltung.
•    Höchste Priorität für den Schutz der Böden: weitestgehende Begrenzung des Flächenverbrauchs und Förderung des Aufbaus der Humusmenge zur Speicherung von CO₂ und zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit.
•    Stärkerer Erhalt und Aufbau von Wäldern als wichtige CO₂-Senken und Wasserspeicher gegen Klimaextreme und Sturzregen. Unterstützung von Programmen für Miniwälder (Tiny Forests) in von Dürre bedrohten Regionen.
•    Keine Deregulierung des Gentechnikgesetzes! Konsequentes Anbauverbot für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der EU. Dies muss auch für CRISPR/Cas und weitere neue biotechnische Methoden gelten. Importierte Produkte, die mit GVO hergestellt sind oder diese enthalten, müssen klar und verständlich gekennzeichnet sein.
•    Keine Patente auf Leben!

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(7) Zum Beispiel Prof. Dr. K.-J. Hülsbergen, H. Schmid, Dr. L. Chmelikova, Prof. Dr. G. Rahmann, Dr. H. M. Paulsen, Prof. Dr. U. Köpke, Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme an der TU München, Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus, 2023
(8) Zum Beispiel mit Europäischem Pflanzenkohle-Zertifikat, https://www.european-biochar.org/de/