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Persönlicher Kommentar

Katargate: Wie steht es um Transparenz und Ethik im EU-Parlament?

Ein spannender Krimi läuft – leider nicht als fiktive Story im Fernsehen, sondern in der Realität der Europapolitik; oder konkreter im Europäischen Parlament. Vor etwa zwei Wochen wurde der Luxemburger Sozialdemokrat Marc Angel zum stellvertretenden Parlamentspräsidenten gewählt; als Nachfolger der bisherigen Vizepräsidentin Eva Kaili, der Schlüsselfigur im als "Katargate" bekanntgewordenen Korruptionsskandal, die seit Ende vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sitzt.

Kurz zur Erinnerung: 1,5 Millionen Euro hatten belgische Ermittler bei aktiven und ehemaligen Europaabgeordneten sowie Mitarbeitern des Parlaments beschlagnahmt. Das Emirat Katar und Marokko sollen durch hohe Geldzahlungen versucht haben, Einfluss auf die politische Arbeit des EU-Parlaments zu nehmen.*

Fast alle Beschuldigten stammen aus dem sozialdemokratischen Lager. Marc Angel hat allerdings ein gutes Image und will, wie auch die konservative Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, aufräumen und die Transparenz- und Lobbyregeln verschärfen. Metsola fordert beispielsweise, dass Abgeordnete, die aus dem Parlament ausscheiden, zwei Jahre lang keine Lobbyarbeit machen dürfen. Alle Abgeordneten sollen in einem gewissen Umfang Geschenke, Reiseeinladungen oder Nebentätigkeiten öffentlich machen. Einen Ermittlungsausschuss soll es allerdings vorläufig nicht geben.** Transparency International hat bereits scharfe Kritik an der Reaktion des Europaparlaments auf den Korruptionsskandal geübt.***

Nicht alle Abgeordneten halten weitreichende Reformen überhaupt für nötig. Die CSU-Europapolitikerin Angelika Niebler sagte, sie kenne kein Parlament, das so transparent sei wie das Europäische. Deshalb gebe es keinen so großen Nachholbedarf. 

Nun ja. Auftritt Pier Antonio Panzeri, weitere zentrale Figur in der Schmiergeldaffäre. Der ehemalige italienische Europaabgeordnete hofft auf eine Kronzeugenregelung und will dafür weitere Namen nennen, die in den Skandal verstrickt sind – angeblich Abgeordnete aus Deutschland, Frankreich und Italien. Involviert ist Panzeri über eine Nichtregierungsorganisation, die ironischerweise Fight Impunity („Straflosigkeit bekämpfen“) heißt. Es bleibt also spannend. Wer tiefer in das „Who-is-Who“ von Katar-Gate einsteigen will: Hier ein gutes Überblicksvideo von Euronews.

Die Europaabgeordnete der ÖDP, Manuela Ripa, ist jedenfalls fassungslos angesichts der Vorkommnisse. Sie stellt die berechtigte Frage, wo legitime Interessenvertretung aufhört und Korruption beginnt. Wirkliche Konzernspendenfreiheit, wie die ÖDP sie von Beginn ihrer Gründung an zum Prinzip gemacht hat, sollte auf Europaebene zum Standard werden. Hier ihr Interview

Nötig wären außerdem die Veröffentlichung aller Treffen mit Lobbyisten, ein wirksamer Schutz für Whistleblower und auch eine unabhängige Kontrolle der bestehenden Regeln!

*https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-katargate-kaili-101.html

**https://taz.de/Korruptionsaffaere-Katargate/!5906521/

***https://www.spiegel.de/politik/korruptionsskandal-katargate-transparency-international

Autor/in:
Anja Kistler
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