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Persönlicher Kommentar

OMNIBUS im Rückwärtsgang

Dr. Andrea Brieger

Dr. Andrea Brieger

Sollten Sie die Überschrift mit Mängeln im öffentlichen Nahverkehr verbinden, liegen Sie zwar nicht ganz falsch, denn verkehrspolitisch geht es wahrlich nicht voran. Aber gemeint ist hier der Omnibus der EU-Kommission. Diese bringt nämlich unter diesem Namen verschiedene Gesetzesprojekte in Rekordzeit durch die EU-Gremien: Das Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitsregularien wurden schon stark abgeschwächt, das Verbrenner-Aus steht auf der Kippe und nun auch noch ein Digital-Omnibus: Mit dem Argument, man müsse wettbewerbsfähig sein und die Digitalgesetzgebung entbürokratisieren, wird ein Omnibus vorgeschlagen, der das Potential hat, den Datenschutz platt zu fahren. 

Schaut man sich den Gesetzesentwurf an, fallen zwei Dinge auf: Es sind einige gute Ideen enthalten, zum Beispiel eine zentrale Meldestelle für Cybervorfälle oder eine Vereinfachung von Dokumentationspflichten. Daneben gibt es aber Passagen, die der bisherigen Gesetzessystematik komplett widersprechen und dadurch mehr Schaden als Nutzen anrichten würden. Datenschutzgesetze gelten nur für personenbezogene Informationen. Bislang ist das im Gesetz eindeutig geregelt: Ist es objektiv möglich, mit der Information einen Menschen zu identifizieren, dann sind Datenschutzvorgaben einzuhalten. Im neuen Gesetz soll nun eine subjektive Komponente eingeführt werden: Wenn die Daten für denjenigen, der sie verarbeiten will, nicht identifizierbar sind, dann gelten sie als nicht schützenswert. Sie könnten dann ohne Einschränkungen weitergegeben, weiterverkauft und zum Beispiel für das Trainieren von KI-Systemen genutzt werden. Eingriffsmöglichkeiten für die betroffenen Personen gäbe es nicht mehr. Das ist eine Regelung, die man nur als Freifahrtschein für die ganz großen Tech-Konzerne lesen kann: Meta, Google & Co. verfügen schon jetzt über Unmengen von Detailinformationen zu Nutzern (Nutzerverhalten, Posts in Social Media, Standorte, Bewegungsdaten, Kontakte zu anderen Nutzern etc.), die sie nur zu gern nach Belieben weitergeben, miteinander verknüpfen und auswerten möchten, ohne durch Gesetze dabei reglementiert zu werden. Das neue Gesetz gäbe ihnen dazu die rechtlichen Möglichkeiten, sie müssten die Informationen nur in passende kleine „Informationsschnipsel“ zerlegen. 

Der Gesetzesentwurf wurde in extrem kurzer Zeit erstellt und soll in einem sogenannten „Fast-Track“– Verfahren durch die EU-Gesetzgebung gebracht werden. Beworben wird er als Entbürokratisierung und Innovationsförderung. In der Realität ist er ein Zugeständnis an die USA und die Interessen ihrer großen Tech-Konzerne. Der Zusammenhang zur Zollpolitik der USA und dem zunehmenden außenpolitischen Druck Trumps auf die EU liegt auf der Hand.
 
Es geht hier um mehr als um juristische Spitzfindigkeiten. In einer Welt, in der kaum ein Aspekt unseres Lebens noch frei von digitaler Datenverarbeitung ist, ist der Schutz von Daten vor Missbrauch von zentraler Bedeutung für unsere Freiheit. Der Gesetzesentwurf bedroht damit auch unsere demokratischen Institutionen, für die eine sichere und freie Informationsverarbeitung essentiell ist.
 

Dr. Andrea Brieger
Landesvorsitzende ÖDP Berlin

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