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Persönlicher Kommentar

Merz packt aus: Neues Team, alte Seilschaften – was heißt das fürs Wirtschaftsministerium?

Thomas Löb

Thomas Löb - Foto: Gunnar Bernskötter

Friedrich Merz hat alle überrascht mit seinem neuen Team – viele neue Gesichter, zahlreiche Lobbyisten und etliche Quereinsteiger aus der Wirtschaft mischen sich zukünftig also ein. Wird so auch eine Gaslobby-Ministerin die Energiewende ausbremsen?

Die ehemalige Geschäftsführerin der E.ON-Tochter Westenergie Katharina Reiche setzt jetzt auf marktwirtschaftliche Prinzipien, weniger Bürokratie und eine klare Fokussierung auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Ich befürchte schwer, dass ihr Ansatz zu Lasten des Umweltschutzes geht – ein Interessenkonflikt scheint nicht ausgeschlossen.

Ihr energiepolitisches Konzept stellt den Ausbau fossiler Energien in den Mittelpunkt. Sie plant den Bau neuer Gaskraftwerke mit einer Leistung von mindestens 20 Gigawatt und langfristigen Lieferverträgen. Diese Investitionen könnten den Trend hin zu erneuerbaren Energien verlangsamen. Parallel dazu sollen bestehende Heizungsgesetze abgeschafft und der Energiemarkt weiter liberalisiert werden – Maßnahmen, die insbesondere der fossilen Industrie zugutekommen werden.

Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt, dass solche Strategien den notwendigen Wandel hin zu einer nachhaltigen, dezentralen und sozial gerechten Energieversorgung gefährden. Angesichts der eskalierenden Klimakrise – mit Rekordhitze, Dürreperioden und sterbenden Wäldern – wirkt Reiches Kurs wie ein ideologischer Schulterschluss mit der fossilen Industrie.

Auch außenpolitisch setzt Reiche auf wirtschaftsliberale Freihandelsabkommen wie Mercosur. Ich sehe darin eine Bedrohung für Umwelt-, Agrar- und Sozialstandards. Der kurzfristige ökonomische Nutzen könnte langfristige ökologische und gesellschaftliche Kosten nach sich ziehen. Die Aufweichung von Umweltauflagen, die fortschreitende Regenwaldzerstörung und die Schwächung europäischer Agrarmärkte durch Billigimporte werfen ernste Fragen auf.

Besonders ihre Vergangenheit in der CDU verstärkt diese Bedenken. Sie unterstützte lange die Nutzung der Kernenergie und sprach sich für neue Atomkraftwerke sowie eine Laufzeitverlängerung bestehender Anlagen aus. Auch ihre damalige Reaktion auf den Fördermittelentzug für ein Sicherheitsprojekt zu transgenen Pflanzen sorgte für Aufsehen. Mit provokativen Vergleichen zu totalitären Regimen und der Bezeichnung von Kritikern als „Bioterroristen“ blockierte sie eine sachliche Diskussion über die Chancen und Risiken der Gentechnik. Ihre Position, die auf eine Liberalisierung des Gentechnikgesetzes und eine wirtschaftsfreundliche, technologieoffene Ausrichtung abzielt, lässt offen, ob der notwendige Ausgleich zwischen technischem Fortschritt und nachhaltigem Umweltschutz wirklich gewährleistet werden kann.

In Bezug auf ihre Lebensbeziehung mit Karl-Theodor zu Guttenberg, ehemaliger Verteidigungs- und Wirtschaftsminister (CSU), kommen weitere Befürchtungen auf. Denn er zählt zu den umstrittensten Akteuren der deutschen Politik und wird mit zahlreichen Skandalen in Verbindung gebracht. Hier zeigt sich alarmierend deutlich, wie eng Politik und Wirtschaft miteinander verflochten sein können: Nachdem er nach einer Plagiatsaffäre als Verteidigungsminister gestürzt wurde, fand er seinen Weg in den Vorstand des umstrittenen KI-Start-ups Augustus Intelligence. Unter der Führung von Wolfgang Haupt strebte das Unternehmen gezielt den engen Austausch mit einflussreichen Politikern wie Hans-Georg Maaßen und vor allem Philipp Amthor an. Diese Verbindung löste mediale Empörung aus, als das Unternehmen in eine heftige Lobbyismus-Affäre abrutschte – ein eindeutiges Signal für die problematische Vermischung von politischem Prestige und wirtschaftlichen Interessen.

Diese Entwicklungen zeigen deutlich, wie politische Karrieren nach dem Ausscheiden aus dem Amt weiter genutzt werden, um wirtschaftlichen Einfluss zu sichern. In einem zunehmend undurchsichtigen Umfeld wird die Grenze zwischen politischer Verantwortung und wirtschaftlichen Interessen immer diffuser – eine Entwicklung, die grundlegende Fragen zur Ethik und demokratischen Kontrolle aufwirft.

Autor/in:
Thomas Löb
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